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Vom Mut, ein Mensch zu sein
In körperlicher Hinsicht bin ich mutig. Neues ausprobieren und meine eigenen Grenzen überschreiten mache ich gern und erzähle viel davon. Vom MutMuskel, der nach jeder Herausforderung stärker und kräftiger geworden ist. Beim Tauchen, Bergsteigen und Rennfahren …
Wie sieht es aber mit dem geistigen Mut aus? Dem ganz normalen und gleichzeitig besonderen Mut, den es braucht, um ein Mensch mit Rückgrat in dieser Welt zu sein? Darüber habe ich viel nachgedacht und eine Erkenntnis gewonnen.
Wie schaffen andere das bloß?
Wenn ich andere Menschen kennenlerne, frage ich mich manchmal: „Wie haben sie das bloß geschafft? Woher haben sie die Kraft genommen?“
Da gibt es Menschen, die eine furchtbare Kindheit hatten. Trotzdem sind sie zu geistig gesunden Erwachsenen und liebevollen Eltern geworden.
Da gibt es Menschen, die sind Opfer einer Gewalttat geworden. Trotzdem schlagen sie nicht ihrerseits um sich und setzen sich mit ganzer Kraft für ein friedliches Miteinander ein.
Da gibt es Menschen, die wurden jahrelang klein gehalten. Waren zu dick, zu dünn, zu schön, zu hässlich, zu dumm, zu langsam, zu vorlaut. Trotzdem haben sie sich behauptet und gehen aufrecht und selbstbewusst durchs Leben.
Ich bewundere mutige Menschen!
Ohne Mut hätten diese Menschen es sicher nicht geschafft. Es kostet sehr viel Kraft, wenn andere dir einreden, du würdest etwas nie im Leben schaffen können, trotzdem daran zu glauben. Ich weiß, wovon ich rede, denn auch mir haben Menschen gesagt: „Mensch Janis, komm mal auf den Boden der Tatsachen. Das ist nichts für dich, weil …“ Es folgten langatmige und sachlich auch richtige Argumente, die mich selbst zum Nachdenken und ins Zweifeln gebracht haben. Allerdings ist mir dann etwas klargeworden!
Woher willst du wissen, was ich kann und was nicht? Das weiß ja nicht einmal ich selbst! Bis ich es ausprobiert habe. Was habe ich denn zu verlieren? Wenn etwas nicht klappt, habe ich es zumindest versucht und nicht von vornherein aufgegeben. Es sind immer nur Ängste, die uns zurückhalten wollen. Ich habe genug damit zu tun, mich meinen eigenen Ängsten zu stellen, ich lasse mir nicht auch noch deine als meine verkaufen. Selbst von meinen eigenen Ängsten lasse ich mich nicht lähmen, denn würde ich das tun, würde ich womöglich nur noch auf meinem Sofa zu Hause rumsitzen. Dafür ist das Leben einfach zu wertvoll und ich möchte so viel wie möglich in ihm erleben. Als aktiver Mensch, nicht passiver Zuschauer.
Diese Art Mut – sich den Einflüsterungen anderer Menschen zu widersetzen – macht stark. Jeden Menschen, der es schafft, diese Angst und diese Skepsis in Zutrauen und Handlungsbereitschaft zu transformieren. Mich hat sie stark gemacht.
Je stärker du wirst, desto kräftiger bläst dir Gegenwind ins Gesicht.
Wer stark ist, den kann nichts erschüttern. Vielleicht denkst du so. Ich jedenfalls habe so gedacht und hätte mich nicht gründlicher irren können. Als starke Persönlichkeit, die in der Öffentlichkeit auftritt und anderen Menschen neue Wege aufzeigen und ihnen Mut machen will, ernte ich keinesfalls nur Sympathie. Je weniger ich der unsichtbare, stille und sympathische Rollifahrer bin, und je mehr ich mit meiner ganzen Körpergröße laut und nachdrücklich für das einstehe, was mir wichtig ist, desto mehr bläst mir Gegenwind ins Gesicht. Wie kann ich es wagen!? Ich muss doch froh und dankbar sein, überhaupt am Leben zu sein! Es gibt nach Auftritten oder Veröffentlichungen von mir Kommentare, die mir sogar meine Existenz absprechen. Ich erzähle das hier nicht, um Mitleid oder Entrüstung zu provozieren. Ich erzähle es, weil es eine Tatsache ist und würde lügen, wenn mich das nicht treffen würde.
Wie du mir, so ich dir?
Was mache ich also, wenn ich so einen Kommentar lese? Eine Möglichkeit wäre sicher, in gleicher Weise zurückzuschlagen. Ich würde mich wahrscheinlich sofort erleichtert fühlen, hätte mich gewehrt und es dem anderem mal so richtig gezeigt. Trotzdem verzichte ich darauf. Ich finde, es gibt schon genug Gewalt in dieser Welt. Auch Worte können Waffen sein, und ich möchte mich nicht auf die gleiche Ebene jener begeben, die Worte wie Giftpfeile aus ihrem Mund schießen lassen. Also habe ich auch hier nach einer Transformation gesucht. Wie ich diese Wut und diesen Hass anderer für mich selbst in Kraft verändern kann.
Ich habe erkannt, dass diese Emotionen in erster Linie mit der betreffenden Person selbst zu tun haben, nicht mit mir. Ich lasse mich davon nicht beirren. Eine gesunde Resilienz und Selbstreflexion lassen mich erkennen, wann eine Kritik konstruktiv und wann sie nur zerstörerisch ist. Mut hilft mir, meinen Weg weiter zu gehen. Mut schenkt mir den Glauben an mich selbst. Mut gibt mir ein Rückgrat. Gegenwind schlägt mir entgegen, aber er bläst mich nicht um. Ich bleibe stehen und gehe mutig weiter.
Fazit:
Für mich ist Mut die Eigenschaft, die wir gerade jetzt in unserer Gesellschaft am meisten brauchen. Ich meine hier nicht den Mut, der den Adrenalinpegel nach oben steigen lässt. Ich spreche vom Mut, der echte Veränderung bewirken kann. Resilienz schützt, Reflexion lässt wachsen und bewahrt vor Überheblichkeit, Mut lässt Taten auf Worte folgen. Diese Art Mut füttere ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit in mir. Bleibe hungrig. Und du?
Fotos: Katy Otto
Designer: Isabel Vollrath
Make Up & Haare: Uranchimeg Bolormaa
Postproduktion: Simon Reitzle