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Vielfalt jenseits der Norm
Keine Gliedmaßen, aber trotzdem Spaß am Leben? Reisen? Autofahren? Liebesleben? Beruflicher Erfolg? In Interviews werde ich häufig gefragt: „Janis, wie hast du all das trotz deiner Behinderung geschafft?“ Oder: „Was sind die größten Herausforderungen für dich als Rollstuhlfahrer?“ Oder: „Was bedeutet für dich als Rollstuhlfahrer Glück?“ Warum ich diese Fragen nicht mag:
Meistens weiß ich gar nicht, was ich darauf antworten soll. Das liegt nicht daran, dass ich keine Antworten habe, sondern dass mich die Fragen sprachlos machen. Sie implizieren nämlich, dass meine Herausforderungen und mein Glück anders sein müssten als die Herausforderungen und das Glück von sogenannten „normalen“ Menschen.
Was wäre, wenn ich antworten würde, dass meine größte Herausforderung das morgendliche Aufstehen ist, weil ich kein Frühaufsteher bin? Was, wenn Glück für mich bedeutet, auf einen Vulkan in Südostasien zu wandern? Diese Antworten könnten von beliebigen Menschen rund um den Globus kommen, aber es sind natürlich nicht die, die man von mir erwartet.
Ich mag diese Fragen nicht. Ich mag sie deshalb nicht, weil sie das Gefühl vermitteln, nicht dazuzugehören, und eine Ausgrenzung zementieren. Da werden Schubladen aufgezogen und konstruierte Gruppierungen einsortiert. Das Resultat sind Denkschemata, die völlig irrelevant sind. Was mich dabei irritiert, ist, dass meine körperlichen Merkmale in den Augen vieler Menschen vor allem in Bezug auf Themen wie Glück und Lebenssinn eine besonders große Rolle zu spielen scheinen. Meine Frage diesbezüglich ist: Wieso konzentrieren wir uns häufig mehr auf das, was uns trennt, als auf das, was uns verbindet?
Wer Visionen hat, braucht keinen Arzt
Hinsichtlich unseres Miteinanders und unseres gemeinsamen Tuns auf der Welt habe ich eine Vision:
Ich möchte in einer Welt leben, in der Merkmale, die uns unterscheiden, nicht zu einer Unterscheidung führen.
Wir sehen alle unterschiedlich aus und unterscheiden uns in vielerlei Hinsicht. Ich weiß das und du weißt das. Wir unterscheiden uns physisch, soziologisch, kulturell usw. Und das ist gut so.
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In meiner Vision leben wir künftig in einer Welt, in der diese Unterschiede in den allermeisten Bereichen und Situationen keine Relevanz mehr haben. In meiner Vision leben wir in einer Gesellschaft, in der wir uns auf unsere Gemeinsamkeiten konzentrieren, anstatt unsere Unterschiede mantraartig zu wiederholen. Anstatt das Lied von der Andersartigkeit, vom Trennenden, dem Ausschließenden zu singen, könnten wir uns auf gemeinsame Ziele und Werte besinnen.
Manchmal werde ich gefragt, ob ich meine Vorträge auch für Menschen mit Behinderungen halte. Oft wird hinterhergeschoben: „Du bist doch prädestiniert dafür, Menschen mit Behinderungen Mut zu machen.“ Ist das so? Ist das relevant? Keine Ahnung. Vielleicht ja, vielleicht nein. Möglicherweise gibt es haufenweise Menschen, die dazu besser geeignet sind. Für mich ist diese Frage einfach nur absurd.
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Meine – unsere – körperlichen Merkmale sind nicht das, was uns ausmacht. Nur weil ich rein zufällig keine Gliedmaßen habe und andere Leute rein zufällig Gliedmaßen haben, ist es nicht allein das, was uns auszeichnet und uns zu den Menschen macht, die wir sind. Deshalb wünsche ich mir für uns alle, dass wir diese Unterschiede, das Denken in Unterschieden, überwinden.
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Eigenverantwortung
Neben dem Engagement auf gesellschaftlicher Ebene gibt es eine zweite Komponente, die wichtig ist: Wir selbst sind es, die etwas dafür tun müssen, dass sich Dinge zum Besseren ändern. Es reicht nicht aus, nur auf „die da oben“ zu verweisen und darauf, dass „die das nicht hinkriegen/alles falsch machen“. Ja, es muss sich institutionell und politisch noch viel verändern. Wir sollten dabei aber auch unseren eigenen Anteil, unsere Eigenverantwortung im Blick behalten.
Du hast die Möglichkeit, Dinge zu verändern, indem du dich selbst veränderst!
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Ich kann Frust und Wut über gesellschaftliche oder persönliche Ignoranz gut nachvollziehen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man selbst betroffen ist und ausgeschlossen wird. Ich weiß aber auch, wie viel Macht in eigenverantwortlichem Handeln steckt. Wie viele Dinge es ins Rollen bringt, wenn wir mit all unserer Unterschiedlichkeit ganz selbstverständlich aufeinander zugehen.
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Die Kraft der Vielfalt
Auch wenn noch ein weiter Weg vor uns liegt: Ich glaube an meine Vision und freue mich auf ein Leben, in dem Merkmale, die uns unterscheiden, nicht mehr zu einer Unterscheidung führen, weil wir uns alle ehrlich begegnen!