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Meister oder Schüler – hast du wirklich die Wahl?
Als ich neulich zu meinem Auto kam, fand ich es mit kaputt geschlagenem Außenspiegel vor. Wenn der Tag so beginnt, darf man wütend sein, dem unbekannten Randalierer innerlich, besser noch lauthals, Vulgärvokabeln hinterherschicken und sich für den Rest der Woche ärgern. Meine Entscheidung sah (natürlich?) anders aus. Ahnt ihr warum?
Tatsachen, Kopfsachen, Hauptsachen
Seit letztem Monat befinde ich mich in der Ausbildung zum Mentaltrainer bei Thomas Baschap und hatte mein erstes Workshop-Wochenende. Wir spürten u.a. der Frage nach, warum Menschen sich in bestimmten Situationen als Opfer fühlen. Und anders herum: Was führt zum Erlebnis der Selbstermächtigung? Wie bleiben wir Meister der Situation und Meister unserer Wirklichkeit? Es war ein völlig unerwartetes Aha-Erlebnis für mich, als ich feststellte, dass eine meiner bevorzugten Verhaltensweisen auf einem anerkannten psychologischen Modell basiert. Bisher hätte ich nur sagen können, dass was ich tue, funktioniert. Jetzt ist mir klar warum.
Welche Realität hättest du gerne?
Es ist eines der Themen, die mich stark und leidenschaftlich beschäftigen, weil die Auswirkung auf unser Leben so immens groß ist. Außerdem kennen mit Sicherheit alle von uns das Gefühl, von außen etwas aufgedrückt zu bekommen, dem wir uns nicht erwehren können. Gefühle von Ohnmacht, Wut, Ärger oder Traurigkeit sind die Folge. Ich könnte unzählige Situationen aufzählen, in denen ich mich früher ausgeliefert gefühlt habe. Bis ich irgendwann dazu überging, nicht mehr automatisiert zu reagieren, sondern meine Reaktion auf ein Ereignis bewusst zu gestalten. Was ich da tat, tat ich intuitiv. Das Kind hatte bisher keinen Namen – bis zum Mentaltraining.
Das Reiz-Reaktions-Modell
Wir denken, gesellschaftlich geprägt, sehr schnell im Opfer-Täter-Gegensatz. Als sei er ein Naturgesetz, dem wir allzeit unterworfen sind. Die Frage muss jedoch gestellt werden, ob dies in jeder Lebens-Situation der richtige Ansatz ist. Sind wir so ausgeliefert wie wir glauben? Was z.B. war bei meinem Auto passiert? Es gab einen Reiz (kaputter Außenspiegel) und darauf folgt eine spontane Reaktion (Ärger). Kaum jemand würde Angesichts des zerstörten Außenspiegels jubiliert haben. Nein, auch ich nicht. Doch ob aus dem ersten emotionalen Impuls ein ganzes Gefühlsgewitter wird, in dessen Regen ich hilflos durchnässt stehe, oder ob ich mir die Macht des Augenblicks zurück erobere – das liegt ganz und gar an einem zumeist vergessenen Faktor: der eigenen Entscheidung.
Der Dreh- und Angelpunkt der Selbstwertschätzung
Keine Frage: dem kaputten Spiegel war ich ausgeliefert. An ihm konnte ich nichts ändern, einen kurzen Ärger zu spüren war völlig okay. Dann tat ich, was ich seit langem in solchen Momenten tue: kurz innehalten, durchatmen und mich fragen, welchen Wert ich mir und meiner Lebenszeit beimesse. Ist sie so unwert, um sie wegen eines Außenspiegels, den ich reparieren lassen kann, mit schlechten Gefühlen zu füllen? Mir meinen Tag, meine Energie, meine Kraft, meine Gedanken rauben zu lassen? Oder möchte ich hier und jetzt Meister meiner Lebenszeit bleiben und die Entscheidung treffen, dass ich mir mehr Wert bin als ein kaputter Spiegel. Ich gehe weg vom Opfer-Gedanken „Was ist mir da nur gemeines passiert!" hin zu „Was kann ich dafür tun, um die Lage gut und konstruktiv für mich zu gestalten?".
Reiz > Entscheidung > Reaktion: das ist das Meister Modell
Natürlich weiß ich, dass es Dinge im Leben gibt, die uns an Grenzen bringen, wo dieses Modell ggf. für uns nicht mehr greift. Das allerdings sind die Ausnahmen der täglichen Regel. Dort wo es greift, wo es uns die Chance gibt selbstwertschätzend und selbstermächtig zu handeln, sollten wir es in vollen Zügen nutzen. Uns bewusst für uns selbst entscheiden und abwenden von einer erduldenden Haltung. Wieder taucht meine Lieblingsfrage auf: wie kann ich mich noch verhalten? Welche Optionen sind alle noch offen – im Handeln, im Fühlen, im Denken? Es ist meine Entscheidung. Jeder Tag hält Übungssituationen bereit. Kleinere, größere, einfachere, schwierigere. Darin empfinde ich mich täglich als Schüler. Meister ist, wer Schüler bleibt.
Vielleicht magst du in den Kommentaren verraten, mit welcher Entscheidung du dir heute einen Lebensmoment zurückerobert hast. Ich bin neugierig auf eure Erlebnisse!
Coverfoto: Katy Otto