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Machtlose Macher
Sie machen Front und sitzen im Nacken, sind Stachel im Fleisch und prangern an. Viele Aktivisten sind unermüdlich darin, den erhobenen Zeigefinger in die gegnerische Wunde zu legen. Doch dieserart generierte „gute Taten“ aus schlechtem Gewissen sind der Nährboden für Trotz und Widerstand. Nachhaltige Veränderung sieht anders aus.
Krieg zieht Gräben, Bündnis schafft Brücken
Vielleicht bist du jetzt irritiert und denkst: Hä? Janis ist doch selbst Aktivist und setzt sich für Inklusion und Diversity ein! Nein, ich bin kein Aktivist, zumindest nicht im eingangs beschriebenen Sinn, denn ich halte überhaupt nichts von (An)Klagen und Vorwerfen. Wie oft habe ich schon Vorträge gehört, die mich – obwohl es um meine Herzensthemen ging (!) – verschlossen oder richtig genervt zurückgelassen haben, weil sie vollkommen fokussiert waren auf Probleme und Mahnung, ohne einen einzigen Versuch, Menschen für die Sache zu gewinnen, statt sie ausschließlich als Gegner zu brandmarken.
Ihr seht schon, es geht mir im Grunde nicht darum, mich an dem Begriff „Aktivist“ abzuarbeiten, vielmehr möchte ich auf eine häufig damit verbundene Haltung aufmerksam machen, die mehr Gräben zieht als Brücken schlägt.
Geht’s mir etwa besser? Nö.
Jeden Tag stehe ich vor Hürden. Jeden Tag. Allein unsere genormte Infrastruktur, die auch im Jahre 2021 von Barrierefreiheit mehr träumt als sie bietet, bedeutet Ausgrenzung in zig Momenten. Ja, ich werde diskriminiert. Manchmal, weil ich einen Rollstuhl fahre, manchmal, weil ich schwul bin, manchmal, weil beides zusammenkommt.
Trotzdem sage ich: das Leben ist geil. Mein Leben ist geil. Ich habe nicht die geringste Lust darauf zu warten, dass erst irgendwas anders oder besser wird, bevor ich mein Dasein gut finde. Es ist richtig gut und natürlich geht es noch in vielen Bereichen besser. Genau darauf möchte ich Menschen Lust machen, auf das Mehr vom Besseren.
Vielleicht sind mir erhobene Zeigefinger dabei deshalb so fremd, weil ich gar keine habe. Ganz sicher ist, dass ich Lösungen liebe und Menschen lieber verbinde als trenne. Bestimmt kennt ihr dieses Zitat von Saint-Exupéry: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“
Hier spiegelt sich sehr schön die Geisteshaltung, die ich für weltbewegend im Wortsinn erachte.
Träumerle? Nö.
Mir ist völlig klar, dass Sehnsucht allein nicht reicht. Natürlich braucht‘s noch Tat und Kraft, Willen und Wollen – aber bitte miteinander und füreinander. Es geht nicht darum gegeneinander anzutreten oder „eure“ Welt in „meine“ umzubauen. Es geht darum zu erkennen, dass es nie etwas anderes gab als unsere Welt. Nicht die Barrierefreiheit, nicht die Inklusion, nicht die Vielfalt ist das Ungewöhnliche, sondern dass wir Barrieren, Ausgrenzung und Vereinzelung konstruiert haben.
Deshalb trete ich nicht an, um Mängel rauf und runter zu deklinieren oder Forderungen zu stellen. Die Macher bleiben machtlos, die mit Aktionismus Fronten schaffen, wo Türen nötig sind. Nicht was mir fehlt, will ich ins Blickfeld rücken, sondern was wir alle gewinnen, wenn die Welt wirklich eine Welt für alle ist.
Perspektive statt Penetranz
Wenn du den Kurs ändern willst, greif nicht ins Steuer und zerre am Lenkrad. Allzu oft dreht sich so nur alles im Kreis. Erschaffe Punkte am Horizont, die anzusteuern sich lohnt. Und je bunter dein Team, desto sicherer hast du alle Qualitäten in deinem Boot, die brauchst, um neue Kontinente zu entdecken.
Foto: Katy Otto