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Let’s talk about ... sex?
Hat dich heute schon jemand gefragt, wie du dir eigentlich die Zähne putzt? Wie du dich am Rücken kratzt? Was hältst du dir beim Niesen vor den Mund, wenn nicht die Hand? Dass bei Menschen, die mich ansehen, die eine oder andere Frage auftaucht, ist so normal wie sicher. Dass ich viel gefragt werde ebenfalls. Unsicher hingegen sind die Grenzen. Reden wir doch mal über intime Momente!
Der Elefant mitten im Raum
Lang bevor mein beruflicher und damit öffentlicher Weg feststand, hatte ich folgendes Erlebnis: Im Rahmen einer Jugend-Veranstaltung, die ich besuchte, gab es einen Workshop zum Thema Transsexualität. Das interessierte mich! Vor allem, weil ich wenig darüber wusste und mir sofort hundert Fragen im Kopf aufploppten. Bisher war ich nie (bewusst) einem transsexuellen Menschen begegnet. Und selbst wenn, dann weiß ich nicht, ob ich den Mut gehabt hätte bestimmte Fragen zu stellen. Wie großartig, dass sich in diesem Workshop also jemand offen präsentierte und die neugierigen Fragezeichen in meinem Kopf persönlichen Antworten weichen würden. Den anderen Workshopteilnehmer*innen ging es offensichtlich ähnlich. Gleichzeitig blieb die Scheu, manche Dinge zu thematisieren, obwohl sie elefantengleich im Raum standen.
Gefragt. Frustriert. Verloren.
„Wie läuft das eigentlich beim Sex?" Ich spürte durchaus Erleichterung, als jemand anderes die Frage stellte. Sie lag so nah und war doch aus verständlichen Gründen so fern. Doch wo, wenn nicht hier, hätten wir sie stellen können? Erwartungsvoll weiteten sich meine Augen, als die Workshopleiterein zu sprechen begann. Statt des ersehnten Einblicks erhielten wir jedoch eine Rüge. Verstimmt gab sie zurück, dass man so etwas Intimes nicht fragen dürfe. Aus jedem Buchstaben troff Unverständnis und Tadel. Obwohl ich nicht gefragt hatte, fühlte ich mich beschämt. Und enttäuscht. Irgendetwas fühlte sich plötzlich grundverkehrt an.
Ist Offenheit Intimität?
Diese Begebenheit lag nicht allzu weit zurück, als ich peu à peu meine ersten Schritte als Speaker machte. Dass es Schritte in eine öffentlichere Lebensform würden, war mir natürlich bewusst. Ich hatte mich zuvor durchaus mit den Konsequenzen beschäftigt, u.a. mit der Frage, wie offen ich selbst eigentlich sein kann und will? Das Workshop-Erlebnis war mir dabei sehr präsent geblieben. Wie will ich Menschen öffnen für ein, ja, für mein Thema, wenn ich mich selbst nicht öffne? Wie begegne ich der natürlichen und allzu menschlichen Neugier, wenn es persönlichere Bereiche betrifft? Kann ich wirklich über alles sprechen? Will ich das? Muss ich das überhaupt? Wieviel hat Offenheit eigentlich mit Intimität zu tun? Was ist nah und was zu nah?
Let's talk about… everything!
Ja, es gibt Grenzen. Obwohl, gibt es sie wirklich? Und wer steckt sie fest? Schon damals konnte eine Seite in mir die Workshopleiterin sehr gut verstehen. Es gibt sie, die Dinge über die ich nicht sprechen möchte. Und gerade heute, viele Jahre und viele hunderte persönliche Fragen später, verstehe ich die damalige Verweigerung eines Einblicks immer noch sehr, sehr gut. Gleichzeitig bin ich selbst in Bezug auf so viele Themen und Menschen ein Fragender. Ein neugieriger und wissensdurstiger Mensch. Ich möchte niemandes Grenze damit verletzten. Ich möchte verstehen. So wie ich mir wünsche, dass Menschen Neugier und Wissensdurst in Bezug auf die Themen Motivation, Mindset und Mentalkraft haben. Vielleicht hätte ich mir eine Antwort gewünscht wie: „Sie dürfen mich das gerne fragen und ich darf es gerne unbeantwortet lassen." Das hätte mir gezeigt, dass nicht im Fragen selbst ein Frevel liegt. Allenfalls in der Erwartung nun intimste Geheimnisse zu erfahren. In der Neugier wohnen Fragen. Die Fragen wohnen in den Menschen. Und so war meine Entscheidung von Anfang klar.
Offen für jede Frage? Offen für jede Antwort
Was also ist er, der persönliche Einblick? Dass ich alles preisgebe und jede Frage bis ins letzte Detail beantworte? Oder ist es auch ein Einblick, wenn ich eine Tür nicht oder nur einen Spalt breit öffne? Wenn ich offenlege, wo meine Grenzen sind? Gewähre ich Zutritt in den Garten oder nur einen Blick über den Zaun? Ich bin offen. Offen für jede Frage. Und offen für jede Antwort. Das heißt, es wird immer ein Stück weit von den Umständen, der Person, der Tagesform oder auch z.B. der Intention hinter der Frage abhängen, wie die Antwort ausfällt. Manchmal bekomme ich provozierende Fragen gestellt. Menschen wollen mich „testen". Was völlig okay ist. Dem gegenüber bin ich offen, gleichzeitig wird meine Antwort ggf. ein wenig anders ausfallen, als auf eine Frage die ausschließlich auf Interesse und purer Neugier beruht. Hier spüre ich, wie aus meiner grundsätzlichen Offenheit ein persönliches mich öffnen wird.
Let's … dance?
Wir können uns nur begegnen, wenn wir uns miteinander befassen. Wirkung lebt von Begegnung. Aus diesem Blickwinkel erkenne ich in jeder Frage ein Geschenk, denn sie offenbart Interesse. Fragen und Antworten – manchmal empfinde ich sie wie einen Tanz, den man sachte oder stürmisch beginnen bzw. tanzen kann. Der verschlungen oder nur lose verknüpft übers Parkett führt. Er ist Bewegung und Berührung und lebt vom Mut aller Tänzer*innen sich der Begegnung zu stellen. Let's dance!
Fotos: Katy Otto