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Du spielst doch (k)eine Rolle!
Dass ich der Regisseur meines Lebens bin, daran hatte ich bisher keinen Zweifel, schließlich ist es der Regisseur, der die Fäden in der Hand hat. Der alles im Blick hat, der entscheidet, auswählt, kreativ formt. Regie führen war nach meinem Verständnis besser als die Hauptrolle spielen. Aber ist das wirklich so? Eine Fortbildung brachte mich hier wortwörtlich ins Wanken.
Na, wer bist du?
Treffen, Seminare, Workshops – überschaubare Menschenrunden beginnen so gut wie immer mit einer gegenseitigen Vorstellungsrunde. Jeder kann dabei mehr oder weniger von sich preisgeben. Normalerweise bin ich sehr entspannt dabei. Diesmal aber galt es, noch vor dem einander vorstellen, eine Übung zu absolvieren. Wir wurden mit der These konfrontiert, dass jeder Mensch jeden Tag ganz unterschiedliche Rollen erfüllt. Auf der Arbeit haben wir z.B. die Rollen des Kollegen, des Angestellten, des Teamleaders, des Fachmanns und des Kundenberaters. Und in jeder Rolle kommen andere Facetten von uns zum Vorschein. Wenn wir nach Hause gehen, wechseln wir in andere Rollen. Die des Vaters womöglich. Der Schwester, des Ehemanns, der Alleinstehenden etc.
Die Frage war diesmal also nicht „Wer bist du?", sondern:
Wen stellst du uns vor?
Es galt sich mit den eigenen Rollen zu befassen, sich gewahr zu werden, welche wir überhaupt innehaben. Wie viele bin ich?Und welchen davon betrachte ich näher und stelle ihn vor? Für den Moment war ich etwas … ja, doch, sagen wir ruhig herausgefordert. Wie, Rolle? Rollen gar! Ich bin der Regisseur! Mit leichtem Widerstand, aber natürlich der janistypischen, sofort ebenfalls vorhandenen Neugier, ging ich ans Erkunden. Ja, da waren viele Rollen. So hatte ich mich vorher nicht wahrgenommen. Und ich merkte schnell, wie anders und unterschiedlich diese Rollen denken, fühlen, agieren. Wie konträr teilweise! Selten war ich aufgeregter bei einer Vorstellungsrunde. Denn diesmal gab ich –gefühlt- durch den Einblick in eine meiner Rollen, einen viel intimeren, tieferen Einblick, als sonst.
Das Leben, ein Rollenspiel?
Das Erkennen der unterschiedlichen Rollen brachte nicht nur mich in eine gewisse Unruhe. Gab es unter all diesen Rollen eine Hauptrolle? Und was war nun mit der Regie? Und wie konnten diese teils so gegensätzlichen Aspekte der einzelnen Rollen überhaupt unter einen Hut passen? In ein und denselben Menschen?
Im Laufe des Tages und des Vertiefens in die Thematik wurde klar, dass wir uns alle ständig in einer Rolle befinden – je nach umgebenden Kontext. Dass wir diese Rolle jedoch nicht sind bzw. immer nur in dem Moment, da wir sie ausfüllen. Unser Selbst ist mehr als die Rollen, ist sozusagen alle Rollen. Es schlüpft in sie hinein und wieder heraus. Kann sie wählen, formen, selbstwirksam ausfüllen. Da war er wieder: der Regisseur!
Das Leben, ein Rollenspiel
Ja, wir spielen eine Rolle. Haupt- und Nebenrollen, den ganzen Tag. Nein, das heißt nicht, dass wir nicht „wir selbst" sind, es heißt, dass wir mehr sind als das, was wir in unserem Kopf als Selbstbild konstruiert haben. Und es ist der Regisseur in uns, der uns die Möglichkeit gibt uns in unseren Rollen zu sehen, die Qualitäten und Facetten jeder einzelnen wahrzunehmen und entsprechend einzusetzen. Meine Introvertiertheit zum Beispiel darf beim Speaker auf der Bühne Pause machen, während sie jenseits des Rampenlichts Raum hat und dafür sorgt, dass meine Sinne nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, auf mich selbst und die leiseren Töne des Tages gerichtet sind.
Regie führt in dein bestes Leben
Gerade dann, wenn wir (an)erkennen, dass wir viele Rollen ausfüllen können, werden wir authentisch, weil wir damit unsere Brüche, Ungereimtheiten und Menschlichkeiten zu leben beginnen. Ein zementiertes Selbstbild führt nur in eine Richtung: die Sackgasse der Eindimensionalität. Trau dich viele zu sein, dann wirst du selbst.
In welchen Rollen erlebst und erfährst du dich bereits? Welche besonderen Qualitäten haben sie? Ich bin gespannt mehr von dir zu erkennen.