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Mein voller Ernst: Darf ich das?
Als mir die Einladung zu Chris Talls Show „Darf er das?“ auf den Schreibtisch flatterte, hab ich mich sofort gefreut. Aus meinem Umfeld kamen allerdings Bedenken, ob diese TV-Comedy nicht die Seriosität meiner Anliegen, ja, gar meiner selbst torpedieren könne. Janis im Spaßformat – darf ich das?
Die Sache mit Berg und Prophet
Die Wahrscheinlichkeit, dass ich als arm- und beinloser, schwuler, BWL-studierter und weitgereister Redenprofi zur Kick-Off-Tagung eines Unternehmens oder einer Veranstaltung über Inklusion bzw. Diversity geladen werde, liegt bei fast 100%. Dank meines Faibles für Digitalisierung und autonome Fahrsysteme mehren sich ebenfalls die Anfragen derer, die technische Innovationen und deren Erfolge sichtbar machen wollen.
Und ja, in all diesen Bereichen sind meine Herzensthemen beheimatet, finden sie Gehör, schaffen sie Inspiration und motivieren Menschen, anders, weiter, persönlicher zu denken, um die beste Version ihrer selbst, ihres Teams, ihres Unternehmens zu verwirklichen. Großartig!
Gleichzeitig weiß jeder, der mich kennt, wie wichtig es mir ist an der Verwirklichung einer Gesellschaft mitzuwirken, in der „anders sein“ eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Die in Unterschieden keine Makel, Grenzen oder „Behinderungen“ mehr sieht, sondern in der jeder Mensch die Möglichkeit hat, sein bestes zu Leben zu leben. Unabhängig ihrer oder seiner Merkmale oder gesellschaftlicher Normen.
Was also liegt näher, als sich dem gnadenlosen Blick einer jungen und technikaffinen Generation auszusetzen?
Grenzen und Gaudi
Meiner Freude über die Einladung folgte ehrlich gesagt auch etwas Muffensausen. Denn was, wenn ich mich nicht würde behaupten können neben dem Sprücheklopfmeister Chris Tall? Wenn mein Humor und meine Selbstironie auf dieser Bühne ins Leere gingen? Was, wenn ich nicht Neugier und Interesse, sondern Häme und Ablehnung weckte? Wie offen, wie weit, wie neu denkend sind wir denn im Jahr 2021 wirklich schon?
Spannender Grenzgang oder schmerzliche Bruchlandung, darin lag für mich das Spannungsfeld. Die Frage der Seriosität stellte sich für mich gar nicht, denn ich weiß, wer ich bin und wofür ich stehe und ich hatte nicht vor, mich für diese Sendung zu verstellen, den anbiedernden Witzbold zu geben oder meine Anliegen zu verraten. Ganz im Gegenteil. Um nichts anderes geht es: mich authentisch zeigen zu können. Facetten nicht zu verbergen, sondern ins Spiel bringen zu können.
Dürfen, wollen, sollen, müssen?
Wer es gesehen hat, hat gesehen: es war ein Heidenspaß! Wer es gesehen hat, hat gesehen, dass meine Themen überreif sind, um aus dem Nischendasein in ein breitgefächertes Publikum geholt zu werden. Weg mit dem unerträglich überflüssigen „Problemthema“-Label. Ich habe kein „schweres Schicksal“, bin weder gezeichnet noch geplagt. Ich lebe mit größtem Vergnügen ein spannendes, selbstbestimmtes Leben voller Möglichkeiten.
Ernsthaftigkeit wird nicht durch eine Nulllinie der Mundwinkel offenbar. Sie ist eine Geistes- und Herzenshaltung, in das Lachen, das Denken, das Schweigen, das Debattieren, das Zuhören und vor allem die Begeisterung für die eigene Überzeugung nebeneinander verankert sind.
Chris Tall und ich haben eins gemeinsam: Wir haben keine Scheu, über uns selbst zu lachen. Wir haben keine Scheu übereinander zu lachen. Und erst recht nicht, miteinander zu lachen. Wir können das, weil unser Menschenbild geprägt ist von Respekt und Ernsthaftigkeit. Weil unser Anliegen nicht die Beschämung, sondern die Begegnung ist.
Dürfen wir das? Nein. Wir müssen das. Weil wir es wollen.